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Arbeitszeiterfassung im Bau – was muss man beachten?


Wecker auf dem Schreibtisch

Viele Baufirmen stellen sich die Frage, ob Sie die eigene Arbeitszeit oder die Ihrer Mitarbeiter richtig erfassen oder überhaupt erfassen müssen. Vor allem in der Baubranche existiert eine Vielzahl an unterschiedlichen Regeln und Normen, die vom Gesetz her vorgeschrieben werden sowohl auch im Gesamtarbeitsvertrag (GAV) oder Landesmantelvertrag (LMV) enthalten sind. Wer soll da noch den Überblick behalten? Um mehr über das Thema Arbeitszeiterfassung im Bau zu erfahren, haben wir ein Interview mit Herrn Prof. Dr. Geiser, Experte zum Thema Arbeitszeiterfassung an der Universität St. Gallen, geführt.

Zeiterfassung Interview Blog

Bild: Arbeitszeiterfassung

Wieso muss die Arbeitszeit erfasst werden?

Am simpelsten wäre es doch, wenn alle Mitarbeiter planmässig um 8:00 beginnen, vor dem Mittag eine Pause einlegen, 1 Stunde Mittagspause haben und dann um 17:00 Schluss machen. So weit, so einfach. Das Problem liegt aber darin, dass in Wirklichkeit eine gewisse Flexibilität der Arbeitnehmer gefragt ist. Vor allem in grossen Unternehmen mit diversen Positionen, kann diese Vorstellung nicht bewirkt werden. Tatsächlich arbeiten nur die wenigsten Arbeitnehmer in der Schweiz einen "Standard"-Arbeitstag mit fixen Arbeitszeiten. Speziell in der Baubranche gehören unregelmässige Arbeitszeiten zum Alltag. Wir haben Fragen aus der Praxis gesammelt und an Prof. Dr. Geiser, Experte im Bereich Arbeitsrecht, gestellt. Sie finden im Anschluss das Interview, das wir mit ihm geführt haben. Schauen Sie lieber Videos an? Am Ende des Artikels finden Sie das Video des vollständigen Interviews.

Interview mit Herrn Prof. Dr. Geiser

Herr Prof. Dr. Geiser, wie ist Arbeitszeit definiert?

Arbeitszeit ist all jene Zeit, die der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber/der Arbeitgeberin zur Verfügung stellt.

Wo liegt die Obergrenze bei der Arbeitszeit?

Das Arbeitsgesetz sieht maximale Arbeitszeiten vor. Dies wären je nach Betriebsgrösse 45 oder 50 Stunden pro Woche. Es ist aber so, dass diese maximalen Arbeitszeiten in Ausnahmefällen überschritten werden dürfen.

Was wären diese Ausnahmefälle?

Grundsätzlich darf dann überschritten werden, wenn Ausnahmesituationen eintreten oder wenn ausnahmsweise ein besonders grosser Arbeitsanfall ist. Ein weiterer Grund ist das Vor- oder Nachholen von Arbeit wegen Feiertagen. Was nicht geht ist, dass man solche sogenannten Überzeiten leistet, nur weil zu wenig Leute angestellt sind. Dies ist nicht zulässig.

Welche Varianten existieren zur Arbeitszeiterfassung?

Grundsätzlich ist es so, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass die Arbeitszeiten erfasst werden. Der Grund liegt darin, dass das Arbeitsinspektorat prüfen können muss, ob das Arbeitsgesetz eingehalten wird oder nicht - deshalb besteht diese Verpflichtung. Das Gesetz schreibt jedoch nicht vor, wie diese Arbeitszeit erfasst werden muss.

Welche Möglichkeiten haben Arbeitnehmer, wenn ihr Arbeitgeber auf eine Arbeitszeiterfassung verzichtet?

Ein Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung ist unter gewissen Voraussetzungen möglich. Aber es ist auch möglich, dass die Arbeitgeberin auf die Arbeitszeiterfassung verzichtet, obgleich Sie das nicht dürfte. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer selbstverständlich die Möglichkeit, die Arbeitszeit selber aufzuschreiben.

Welche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, wenn ein Gesamtarbeitsvertrag (GAV) oder Landesmantelvertrag (LMV) vorliegt?

Der Gesamtarbeitsvertrag oder Landesmantelvertrag schreibt unter Umständen eine gewisse Art der Arbeitszeiterfassung vor. Es ist auch so, dass gewisse Gesamtarbeitsverträge bestimmte Arbeitszeitregelungen enthalten. Dann kommt es darauf an, was dieser Vertrag genau vorschreibt. Die Einzelheiten dafür können im Gesamtarbeitsvertrag eingesehen werden.

Einige Kunden stellen sich die Frage, ob sie die strengeren Bestimmungen eines GAV oder LMV einhalten müssen, obwohl das Gesetz weniger scharf ist. Welche rechtlichen Möglichkeiten haben die Kunden?

Ein Gesamtarbeitsvertrag oder Landesmantelvertrag kann strengere Arbeitszeitvorschriften aufstellen, die für den Arbeitnehmer günstiger sind. Diese strengeren Arbeitszeitvorschriften sind dann einzuhalten, sofern der Gesamtarbeitsvertrag auf den Betrieb tatsächlich anwendbar ist. Es gibt immer wieder das Problem, dass Arbeitnehmer durchaus bereit sind, andere Arbeitszeitregelungen einzuhalten, als diejenigen, die das Gesetz oder ein Gesamtarbeitsvertrag vorsieht. Die Arbeitgeberin kann grundsätzlich nur abweichen, wenn die eigene Regelung strenger ist. Es ist aber nicht möglich, sich in einzelnen Zeiten, z.B. im Sommer, einfach über die Arbeitszeitvorschriften von Gesetz und GAV hinwegzusetzen, um diese dann im Winter auszugleichen. Diese Regelungen haben die Funktion, die Leute vor sich selbst zu schützen. Zwei Fälle müssen hier unterschieden werden: Sind die Arbeitnehmer immer völlig frei in der Entscheidung, mehr zu leisten? Oder sind es ökonomische Zwänge, die diesen Umstand auslösen? Weil man das nicht unterscheiden kann, muss der Gesetzgeber eine strenge Regel haben und die Arbeitnehmer vor sich selbst schützen.

Weshalb muss die Arbeitszeit erfasst werden?

Die Arbeitszeit muss erfasst werden, damit das Arbeitsamt, das Arbeitsinspektorat oder - bei einem Gesamtarbeitsvertrag - eine paritätische Kommission kontrollieren kann, ob die Bestimmungen eingehalten werden. 

Welche Mitarbeiter müssen Ihre Arbeitszeit erfassen?

Zuerst sollte man sich fragen: Untersteht der Betrieb überhaupt dem Arbeitsgesetz? Gärtnereien beispielsweise unterstehen nicht dem Arbeitsgesetz, Gartenbaufirmen aber sehr wohl. Betriebe, welche also dem Arbeitsgesetz unterstellt sind, müssen die Arbeitszeit Ihrer Mitarbeiter erfassen. Es gibt aber auch in diesen Betrieben Personen, welche nicht dem Arbeitsgesetz unterstehen. Das sind Personen, welche eine höhere leitende Tätigkeit ausüben.

Welche Personen fallen unter eine leitende Tätigkeit?

Gemeint sind jene Personen, welche einen direkten Einfluss auf die Strategie des Unternehmens haben. Damit ist die oberste Führungsschicht in einem Unternehmen gemeint und nicht mehr. In einem grossen Konzern beispielsweise, ist man sehr schnell davon weggekommen, da die Führung die Konzernstrategie festlegt und nicht ein Leiter irgendeiner Zweigstelle. 

Muss jeder Mitarbeiter seine Anfangs- und Endzeiten erfassen oder reicht es aus, wenn das global auf Firmenebene festgelegt wird?

Das reicht sicher nicht aus. Es geht ja nicht darum, wann gearbeitet werden soll, sondern wann tatsächlich gearbeitet wird. Die Mitarbeiter müssen also notieren, wann Sie zu arbeiten beginnen, wann Sie Pause machen, wann die Pause zu Ende ist und schliesslich, wenn am Schluss die Tagesarbeit zu Ende ist. Es gibt aber auch hier Ausnahmen: Wenn ein Arbeitnehmer ein gewisses Einkommen erreicht, gleichzeitig eine hohe Flexibilität der Arbeitszeiten geniesst und in einem GAV besondere Regelungen getroffen sind, kann es möglich sein, dass eine Notierung der Anfangs- und Endzeiten genügt.

Wer ist verantwortlich für die Zeiterfassung in einem Unternehmen?

Für die Zeiterfassung verantwortlich ist immer die Arbeitgeberin. Sie ist verantwortlich dafür zu garantieren, dass das Arbeitsgesetz und auch die Arbeitszeitvorschriften eingehalten werden. Selbstverständlich kann die Arbeitgeberin nicht jedem nachrennen und die Arbeitszeit erfassen, also muss hier eine Delegation stattfinden. Das heisst aber nicht, dass die Arbeitgeberin aus der Verantwortung ist. 

Wie lange muss man die erfassten Zeiten aufbewahren?

Grundsätzlich müssen die Daten aufbewahrt werden, damit eine Kontrolle möglich ist. Ich meine, eine Aufbewahrung während 5 Jahren reicht.

Was passiert, wenn es Differenzen zwischen den erfassten Stunden des Mitarbeiters und der Firma gibt - welche Zeit gilt dann?

Wenn die Arbeitgeberin eine andere Arbeitszeit erfasst hat als der Arbeitnehmer selber, dann müsste allenfalls in einem Prozess um allfällige Auszahlung von Überzeiten der Arbeitnehmer nachweisen, dass seine Aufzeichnungen stimmen. Das Gericht prüft dann, welche Aufzeichnung plausibler ist.

Bild: Schauen Sie sich das Interview in Videoform auf Youtube an.

Wir danken Herrn Prof. Dr. Geiser für das überaus spannende Interview!

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